Die ruhig gelegene Halbinsel Stralau, der östlichste und älteste Teil von Friedrichshain, wurde 1244 in einem Schriftstück erstmalig urkundlich
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Stralauer Dorfkirche |
erwähnt. In diesem Dokument wird ein Dietrich von Stralow als Zeuge benannt. Als Fischerdorf findet Stralau aber erst 1288 urkundlich Erwähnung. Im
Jahre 1358 wurde das Vorwerk Boxhagen, zudem Stralau seinerzeits gehörte, an die Stadt Berlin veräußert. Als das heute älteste Bauwerk von
Friedrichshain wurde 1464 die
Stralauer Dorfkirche
eingeweiht. Durch Unwetter und Blitzschläge wurde der Kirchturm mehrfach beschädigt. Bereits 1934
neigte sich der «schiefe Turm» von Berlin um 5 Zentimeter. Die damals baufällige Kirche wurde deshalb 1937 umgebaut und erweitert. Im Februar
1945 wurde das kleine Gotteshaus bei Bombenangriffen teilweise zerstört. Nach dem Wiederaufbau wurde die Kirche 1949 wieder eingeweiht, erhielt aber erst
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Flaschenturm der ehem. Brauerei |
mit der Erneuerung der Gewölbe 1963 ihre alte Gestalt zurück. Heute neigt sich der Kirchturm um knapp 5 Grad zur Seite. Berühmt geworden ist
Stralau jedoch durch den Fischzug. Er beruht auf der 1574 offiziell eingeführten Schonzeit für Fische vom Gründonnerstag bis zum Bartholomäustag,
dem 24. August. Der Tag des Anfischens wurde zunehmend gefeiert. Erträge aus den ersten Fischzügen mußten dem Pfarrer als Einkommen dargebracht
werden. Als Entschädigung erhielten die Fischer eine halbe Tonne Bier und ein einfaches Essen. Der Stralauer Fischzug wurde zur Tradition, als sogar Prinz
Ferdinand von Preußen, jüngster Bruder von Friedrich II., das Fest besuchte. Um 1810 besaß jedes Fischerhaus eine Gastwirtschaft. Das auf bis
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ehem. Glaswerk |
zu 70.000 Besucher angewachsene Volksfest wurde aufgrund von wüsten Saufgelagen, Schlägereien und orgiastischen Treiben im Jahre 1873
verboten. Nach 1923 wurde der Stralauer Fischzug wiederbelebt. Die Umgestaltung zum sozialistischen Volksfest brachte 1962 erneut das Aus. Eine neue Wiederbelebung
des Fischzuges könnte mit Hilfe des Schaustellerverbandes Berlin erreicht werden. Bis zum Jahre 1769 bestand das Fischerdorf Stralau konstant aus 11
Gehöften am Südufer der Halbinsel. Die Industrialisierung der Halbinsel Stralau begann erst 1865 mit der Ansiedlung einer Teppichfabrik. Es folgten
Brauereien, eine Palmkernölfabrik, Bootswerften und eine Flaschenfabrik. Mietshäuser wuchsen empor und verdrängten die Fischerhöfe. Von 1895
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Palmkernöl-Speicher |
bis 1899 entstand zwischen Stralau und dem Treptower Park ein
Spreetunnel,
der von der Straßenbahn eingleisig genutzt wurde. Es war ein Testbau für die
U-Bahn-Untertunnelungen der Spree. Wegen zu hoher Unterhaltskosten wurde der Tunnel 1932 stillgelegt und fand nur noch als Luftschutzraum im Krieg eine zeitweise
Nutzung, bis der lecke Tunnel voll Wasser lief. Daraufhin wurde der Tunnel zugeschüttet, so daß nur ein Rasenrondell auf der Tunnelstraße in
Höhe der Dorfkirche von der ehemaligen Einfahrt zeugt. Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte der westliche Teil der Halbinsel vorwiegend Industrie- und
Lagerflächen. Das Stralauer Glaswerk, die Engelhardt Brauerei sowie weitere Industrie-Kombinate mußten 1990 nach der politischen Wende schließen.
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Häuser am Rummelsburger See |
Bis auf wenige denkmalgeschützte Gebäude wie den Palmkernöl-Speicher wurde alles abgerissen. Ebenfalls erhalten blieb noch der Turm der alten
Flaschenfabrik sowie ein Industriegebäude des ehemaligen Glaswerkes. Bis 2015 sollen in Stralau zahlreiche Wohnungen sowie Büro- und Gewerbeflächen
entstehen. Mittlerweile sind viele
Wohnquartiere
mit Hofgärten und Wasserblick entstanden. Ein teilweise bereits vorhandener Uferweg soll zukünftig
komplett um die Halbinsel und den Rummelburger See herumführen. Ein Teil des Uferweges an der Rummelsburger Bucht trägt den Namen des Filmes «Die
Legende von Paul und Paula». Die Bucht war Drehort für den DEFA-Klassiker von Heiner Carow. Die Grünflächen im östlichen Teil von
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Häuser an der Spree |
Stralau sollen erhalten bleiben. Das bis 1894 erbaute alte Schulgebäude mit seiner expressionistischen Turnhalle wurde aufwendig saniert und umgebaut. Im
alten Palmkernöl-Speicher sollen Lofts entstehen. Den am Südufer und am Rummelsburger See entstandenen Wohnquartieren fehlen im Moment jedoch die
nötigen Möglichkeiten zum Einkauf. Ohne die notwendige Infrastruktur ist die Halbinsel allerdings zur Schlafstadt verurteilt. Bei den alteingesessenen
Stralauern lösen die Bauvorhaben nicht nur Begeisterung aus. Sie fühlen sich von den Stuktur-Veränderungen in ihrer bisherigen Idylle gestört.
Trotz aller Probleme kann Stralau in Zukunft ein ideales Wohngebiet mit vielen Grünanlagen direkt am Wasser werden.
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